Westfälischer Kunstverein Münster24. 3. bis 12.5. 2000
erschienen 2000 in springerin
Die kritische Beobachtung der Beziehungen zwischen Interior Design und symbolischer Macht ist integraler Bestandteil zeitgenössischer Kunststrategien. Man ist sich weitgehend der Tatsache bewusst, dass Kunstwerke in architektonischen und gestalterischen Kontexten als Instrumente der Kanalisierung vielfältiger Interessen und Motive dienen – wobei das Dispositiv der Normalität als gewichtiger Operator fungiert. Künstlerische Ansätze schwanken diesem Bewusstsein gegenüber zwischen Versuchen die eigene Autonomie zu verteidigen und analytisch-kritischen Positionen, die sich auf lebensweltliche Alternativen stützen. Liam Gillick operiert schon seit einiger Zeit auf beiden Seiten dieser Unterscheidung. Während er Objekte bzw. Installationen anbietet, die sich erfolgreich vermarkten lassen, weil sie dekorative Nonchalance mit dezenter Provokation verbinden, betätigt er sich auch als scharfsinniger Analytiker, dessen Texte festgefahrene Positionen weit ausholend problematisieren, und sich so dem bequemen Konsum verschließen. Seine Herkunft aus einem walisischen Bergarbeitermilieu in Verbindung mit politologischen Studien dürfte mit dafür verantwortlich sein, dass für Gillick die glatte Anpassung an britische Pop-Ideale kein exklusives Thema war. In fiktionalen Texten gelang es ihm, aus sozialen Konfliktwahrnehmungen ein komplexes Bezugssystem zu konstruieren, zu dessen Verzweigungen seine einzelnen Werke oft nur eine Art von Oberfläche bilden. Die Ausstellung in Münster zeigt Beispiele von Objektarrangements, wie sie Gillick immer wieder installiert hat. Abgesehen von Titel und beigefügten Kommentaren bzw. Anweisungen unterscheidet diese Objekte kaum etwas von normalen Dekorationselementen, wie sie etwa in einem zeitgenössischen Showroom anzutreffen sein könnten. Gillicks eigentliches Konzept steckt in den verbalen Erläuterungen, deren Grundidee er 1996 mit der Definition eines Prototypen als „Ort für Diskussionen” inszeniert hat. Die weitere Entwicklung dieser Reihe verlief dann zu einer jeweils präziseren Eingrenzung der Zweckbestimmungen. So heisst es beispielsweise in der Erläuterung zu „Discussion Island Deficit Diskussion Platform (1997): „Plattform für die Diskussion von Diskussionsdefiziten”.„Consulation Filter” ist insofern Name für ein Programm, das hier in Form von vier Einzelarbeiten vorgeführt wird. Es handelt sich um eine dekorative Wandmalerei, ein Metallgestell, das mit farbigen Platten bestückt ist, und Plexiglasfilter vor einem Teil der Deckenbeleuchtung. Hinzu kommt ein Schriftzug, der gemäß Begleittext für einen Ort gedacht ist, den täglich eine große Menschenmenge frequentiert; der Text lautet (ohne Leerzeichen): „horsenessisthewhatnessofallhorses”, und basiert auf einem Joyce-Zitat. Etwas von dem skurrilen Charakter der Fiktionen, die sonst hinter der banalen Perfektion von Gillicks Objekten verborgen bleibt, kommt hier zwar an die Oberfläche, enthält aber nicht mehr jene provokative Aufforderung, die die ganz normale Beschränktheit realer Kommunikationen hier und jetzt spürbar werden lässt.Gillick scheint damit einer klassichen Konzeptkunst sehr nahe gekommen zu sein. Das visuelle Spiel der Formen und Farben, das seine Arbeiten kennzeichnet, zwingt seine theoretischen Implikationen niemandem auf; man kann es auch ohne sie rezipieren. Allerdings ist der Genuss recht bescheiden. Erst der Bezug auf die Gedanken und Konstrukte, die sich hinter der banalen Fassade verbergen, macht sie spannend. Vielleicht kann man sagen, dass sich hier eine Art von Mimikry ereignet, bei der das Modell des Corporate Design imitiert wird – nur mit dem Unterschied eines ästhetisch produktiven Interesses anstelle des machtorientierten. Aber auch dies wäre von nur mäßigem Wert ohne die Erwartung, dass sich die im Fiktionalen entfesselten Referenzen zukünftig in komplexeren Arrangements niederschlagen. Der zur Ausstellung erschienene Katalog zeigt eine große Bandbreite von Möglichkeiten, die Kanalisierung von Beobachtung und Kommunikation unter den fortgeschrittenen Bedingungen heutiger Kontrollstrategien zu thematisieren und deren Vorgaben subtil zu unterlaufen. Der entscheidende Punkt wäre es, all diese Einzelelmente aus ihrer relativen Hermetik zu befreien, die sie dem tatsächlichen kommunikativen Geschehen entzieht und ihnen womöglich eine Aura verleiht, in deren Glanz der zugrundeliegende Konfliktstoff und sein kreatives Potential wie in einem blinden Fleck verschwinden.
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