2001
erschienen 2001 in Katalogtext
Spätestens seit der Realisierung flächendeckenden Fernsehempfangs ist der Verdacht medialer Täuschung populär geworden. Uns allen ist inzwischen mehr oder weniger klar, dass Ereignisse, Dinge und Talente, die uns hier und in anderen Medien zumeist in vielfacher Wiederholung vorgeführt werden, nicht unbedingt das sind, als was sie erscheinen. Andererseits beherrschen uns diese medialen Strukturen nicht nur wie fremde Wesen, sondern bieten auch Chancen und Möglichkeiten, die nicht eingeplant waren. Und vermutlich profitiert unsere Kritikfähigkeit von der Möglichkeit technischer Kommunikation nicht weniger wie von der lebensweltlichen Differenz zu den über sie verbreiteten aufdringlichen Klischees.Schon der dandyhafte Zynismus, der in den 80er Jahren das „anything goes” proklamierte und den Andy Warhol mit seiner Formel vom Star, der jeder für 15 Minuten sein könnte, auf den Punkt brachte, hatte in kurzer Zeit mit der idealistischen Vorstellung Schluss gemacht, man könne aus der multi-medialen Konditioniertheit einer Kultur aussteigen, oder sie von distanzierter Warte aus souverän kritisieren. Was dann Jean Baudrillard in provozierenden Thesen verkündete, war die kaum zu leugnende Möglichkeit, dass das massenhafte Einschwenken vormals offensichtlich radikalerer sozialer Fraktionen auf das simple Begehren reich und berühmt zu werden, vielleicht radikaler war, als es aussah. Man musste es dafür nur als die nihilistische Antwort auf eine perspektivlos gewordene Kultur rationaler Aufklärung nehmen, die ihre eigenen Kontrollmechanismen lange genug verborgen gehalten hatte. In der folgenden Zeit wandte man sich wieder stärker und mit geschärftem Bewusstsein diesen Kontrollmechanismen und der vertrackten Logik ihrer Aufrechterhaltung zu. Die Bedeutung der Soziologie Pierre Bourdieus machte es beispielsweise aus, das Feld der kulturellen Produktion und die Struktur von Zeichen und Positionen, die dabei mitspielen, in die Analyse der sozialen Fronten und ihrer Dynamik mit einzubeziehen. Das bedeutete konkret, dass auch die Kritiker der Gesellschaft, die sich in signifikanter Häufung um den Pol intellektueller oder künstlerischer Produktion konzentriert finden, an der Aufrechterhaltung desselben Machtgefälles beteiligt sind, als dessen bloße Opfer sie sich zumeist stilisieren. In der Kunst der 90er Jahre hat sich diese Wendung zu einer Kritik des kulturellen Alltags vor allem in der Form niedergeschlagen, dass die Beobachtung ihrer eigenen Grenzen intensiviert wurde. Die Institutionen der Kunst wurden paradigmatisch einer Erprobung ausgesetzt, die vor Paradoxien, sinnlosen Übertreibungen und dem entschiedenen Bruch mit den stillschweigenden Konventionen der Kunstwelt nicht zurückschreckte.An diese Entwicklungen knüpft die Reihe von kalkulierten Selbstinszenierungen an, mit denen Christian Dobmeier in ein Verhältnis zum Kunstsystem tritt, ohne sich einfach dessen Gegebenheiten zu unterwerfen. Im gleichen Zug wie er seinen Eintritt in den symbolischen Raum bekannter Künstlernamen inszeniert, kompromittiert er nämlich dessen kulturellen Geltungsanspruch – genau das Gegenteil der unausgesprochenen Regel, die hier herrscht. Während es durchaus normal ist, einzelne Positionen bzw. Fraktionen innerhalb dieses Feldes in Frage zu stellen oder ihnen sogar jede Existenzberechtigung abzusprechen, bedeutet der Angriff auf die Grundlagen des Feldes selbst eine absolute Blasphemie, die den Gewaltcharakter ansonsten latent bleibender Machtstrukturen herausfordert.Christian Dobmeier zeigt sich davon allerdings unbeeindruckt. Was man einer Gruppe intellektueller Kritiker jener Gewaltstrukturen wie Foucault und Bourdieu zu Recht vorgehalten hat, nämlich, dass sie zu deren Verfestigung beitragen, indem sie einen faszinierten Blick auf ihre Macht richten, das ist angesichts von Dobmeiers lakonischen Kommentaren zum Traum vom Ruhm kein Thema. Seine Strategie geht vielmehr dahin, die Illusionen, die an den ausgezeichneten symbolischen Ort der Berühmtheit geknüpft zu werden pflegen, mit nüchternen Zweifeln zu konterkarieren. Er bestätigt damit ein Alltagsbewusstsein, das sich von offiziellen Leitbildern niemals vollständig beeindrucken lässt. In der Arbeit Der Traum vom Ruhm II, wo Dobmeier sich der selbstgestellten Aufgabe unterzog, die während eines Tages zu erledigenden Handlungen so oft wie möglich von einem Podest aus, das er mit sich trägt, zu beobachten, nimmt der Angriff auf das Ideal der Erhobenheit ausgesprochen groteske Züge an. Dagegen wirkt die Arbeit Der Traum vom Ruhm IV vollkommen distanziert, insofern hier in eindeutiger Form die Unterscheidung zwischen der medial geschürten Illusion und einer tatsächlich stupiden Routine dargestellt wird. Diese Nichtübereinstimmung ist offensichtlich ein Effekt des Umstandes, dass von der Position dessen aus, der unten steht, die Realität derer weiter oben verborgen bleibt. Die Installation täuscht durch laute Formeleins-Geräusche jene faszinierende Atmosphäre hochgezüchteter Maschinen vor, aber solange man die eigentliche Rennpiste nur von unten sieht, bleibt unerkannt, dass sich auf ihr allein ein Fahrzeug bewegt, dessen moderates Tempo auf tödliche Langeweile schließen lässt. Erst nach Betreten des Siegerpodestes gewinnt man den entscheidenden Überblick, und hier oben fällt einem vielleicht die Aussage von Niki Lauda wieder ein: Ich hatte es satt, mein Leben lang nur im Kreis herumzufahren, und dafür mein Leben zu riskieren – eine plötzliche Erkenntnis, die ihn allerdings nicht davon abhielt, dann doch wieder weiterzumachen. Dobmeiers Ziel liegt nicht auf dieser Bahn, sondern im Gewinnen einer besseren Einsicht, von der aus die diversen süchtig machenden Stimulanzien ihre Verführungskraft verlieren.Sobald mehrere sich überlagernde Strukturen ins Spiel kommen, wird es auch für Dobmeier schwierig, eine eindeutige Position zu beziehen. Auf jeden Fall kommt es für ihn als Künstler zu Momenten, in denen er selbst ein Teil der Verhältnisse ist, die er kritisiert. Alle seine ironischen Beobachtungen des Ruhmes als Funktion eines sozialen und medial geprägten Feldes spielen sich innerhalb dieses Feldes ab, auch wenn er in ihm bislang keine zentrale Stellung einnimmt. Verwicklungen und Ambivalenzen sind hier nahezu unvermeidlich. Pierre Bourdieu hat die Unmöglichkeit einer Demontage der Logik des Kunstfeldes von innen am Beispiel von Flauberts Education sentimentale gezeigt. Auch hier geht es um Wege zum Ruhm, beziehungsweise um deren Scheitern, das praktisch der Normalfall dessen ist, was sich in den ausgedehnten Bereichen der Kunstwelt abspielt, die die wenigen zentralen Figuren umgeben. Man spricht von der Boheme und kann bei aller Begeisterung für antibürgerliche Lebensformen nicht davon ablenken, dass es sich hierbei um eine gesellschaftliche Fraktion von zweifelhaftem Wert handelt. Flaubert ging es darum, die Mechanismen, die in diesem Feld wirksam sind, und die in aller Regel in der sozialen Unterlegenheit seiner Akteure resultieren, in unerbittlicher Klarheit zu beschreiben. Darum hätte er es nicht gewagt, diese Beschreibung zu veröffentlichen, bevor seine Bedeutung als Schriftsteller (mit Madame Bovary) eine quasi offizielle Bestätigung erfahren hatte. Sein Widerstand gegen das Ressentiment konnte wohl nur von dieser sicheren Position aus überzeugen. Dobmeiers direkterer Weg zur Entmystifizierung jener sozialen Magie, die den Ruhm als Merkmal von Auserwähltheit produziert, fällt in eine Epoche, in der die Beliebigkeit der Auswahlkriterien immer offensichtlicher wird. Auch die Reaktion auf diese Entwicklung, die darin besteht, altehrwürdige Maßstäbe und ihre Repräsentanten zu reaktivieren, um mit deren Hilfe gegen den drohenden Werte-Crash zu steuern, bietet da wenig Hoffnung. Vielleicht ist aber auch die Relativierung aller Werte letztlich der Punkt, an dem es möglich wird, die Produktion und Reproduktion kultureller Zeichen als Spiel zu begreifen, dessen Regeln ebenso variiert werden können wie die Einsätze und Strategien, die dabei zum Zug kommen. So betrachtet ist der gerade Weg, den Dobmeier zum Ziel der Berühmtheit einschlägt, mehr und um einige Grade komplexer als der eines Hochstaplers oder der eines Narren, obwohl er vordergründig deren Methoden zur Anwendung bringt.Mit dem historischen Helden des Gajus Julius Cäsar greift er eine Figur heraus, die vor allem im Rahmen höherer Schulbildung als ideologisches Zeichen für die dauerhafte Stabilität einmal etablierter Werte gilt. Allerdings haben spätestens seit ‘68 mehr als nur Pennälerwitze an dieser Solidität gekratzt. Die Comics von Asterix und Obelix sind ein markantes Beispiel dafür, wie es den popkulturellen Strömungen gelungen ist, alternative Wertekanons zu etablieren, die den Respekt vor den konservativen Idealen eher als Schwäche denn als Stärke erscheinen lassen. Für der Traum vom Ruhm V, Realien machte sich Dobmeier eine gewisse Ähnlichkeit im Profil, die ihn mit dem römischen Helden verbindet, zunutze, um diese Dynamik der Schwankungen, denen das klassische Ideal unterliegt, in sein eigenes Spiel mit den Regeln des Berühmtwerdens einzuspeisen. In zwei Varianten produzierte er eine Goldmünze, die ihn mit einem Lorbeerkranz zeigt, wobei die Möglichkeit einer Verwechslung mit dem Kopf von Julius Cäsar bewusst in Kauf genommen wurde. Die Rückseite der Münze zeigt Dobmeiers Signatur DOB 2000, deren Authentizitätswert angesichts der machinellen Vervielfältigung ebenso gründlich verblasst wie der Mythos der hyperinflationär gebrauchten Jahreszahl. In der einen Variante handelt es sich um sogenannte Schokotaler, die neben der Möglichkeit, in größeren Mengen kostengünstig hergestellt werden zu können, und dem starken Eindruck, denn sie bieten, wenn sie nur ins geeignete Licht getaucht werden, zugleich den unmittelbaren Vorzug haben, mit Genuss verzehrt werden zu können. Dieses regressive Moment unterstreicht noch den respektlosen Umgang mit einer Symbolgestalt, die nicht zuletzt dank der oben erwähnten Comics zu einer Art emblematischem Standard abstrakter Geltung geworden ist. Der Cäsarenkopf bezeichnet sozusagen den reinen Gehalt der Berühmtheit, und ist damit vollständig kompatibel zu einer Gesellschaft, in der sich Alles um die Konjunkturen der Publicity und Nichts um die dabei sanktionierten Inhalte zu drehen scheint. Die zweite Variante der Münzenarbeit, der Traum vom Ruhm IX – aus echtem Feingold gegossene Abgüsse dieser Münzen – verschärfen nochmals den Bruch mit jedem Anspruch auf Respektabilität, indem sie nichts als die leeren Hüllen der Schokotaler wiedergeben. Auch hier triumphiert das popkulturelle Selbstbewusstsein über den Geltungsanspruch einer ideologisch überfrachteten Substanz. Dagegen zielt der Traum vom Ruhm III mit deutlichen Hinweisen auf die subjektive Erfahrung abstrakter Berühmtheit. Was aus der Ferne wieder wie eben jenes Cäsarenportrait – diesmal im Format eines Werbeplakates – wirkt, stellt sich beim Näherkommen als die grob gepixelte Struktur harter Technologie heraus, die keinen Raum für individuelle Eigenschaften bietet. Und auch der Ausstellungsraum, zu dem das Plakat einladen soll, ist vollkommen leer – bis auf einen goldglänzenden Schriftzug, der den Titel der Arbeit wiedergibt. Der Verdacht, dass dem Phantasma austauschbarer Berühmtheit kein Gebrauchswert entspricht, hindert Dobmeier allerdings nicht daran, selbst von einem Bild unbedingter Erhabenheit gefesselt zu sein. Wenn er diesem Katalog seiner Arbeiten die Aufnahme eines der großen Gipfel im Himalaya-Massiv voranstellt, dann vielleicht deshalb, weil dieser alle Wolken weit überragende Berg das Versprechen eines Ortes verkörpert, an dem die Gesellschaft und ihre Mechanismen außer Kraft gesetzt sind. Vor allem eines wird bei diesem Streifzug durch die Gefilde des Ruhms und seiner Erzeugung klar: In dieses Phänomen sind neben den verschiedenen Objekten und Zeichen immer auch eine Vielzahl verschiedener Akteure involviert – diejenigen, denen der Ruhm zu- oder abgesprochen wird, diejenigen, die ihn zu- oder absprechen, diejenigen, die daran glauben oder nicht glauben und schließlich noch diejenigen, die davon (gerade) nichts wissen wollen. Auch wenn es aussieht wie eine Qualität, die der ausgezeichneten Person als persönliche Eigenschaft zugehört, bleibt doch die faktische Abhängigkeit von sozialen Strukturen und ihrer Dynamik. Aus der Perspektive des Subjektes, das glaubt, durch Ruhm in den Besitz unbedingter Macht gelangen zu können, kann daher die begehrte Fülle der Möglichkeiten ohne weiteres in die Leere gesellschaftlicher Isoliertheit umschlagen. Auf diese Konsequenz kommt Dobmeier immer wieder zurück, und vor ihr warnt er uns und sich selbst in einer Serie von Arbeiten, deren Stoff sich so bald nicht erschöpfen wird – zumindest so lange nicht, wie der Traum vom Ruhm weiterhin so viel Nahrung erhält. Die Medien spielen bei dieser Befriedigung narzisstischer Wünsche eine konstitutive Rolle, aber der Vorwurf an sie kann kein Ersatz für eine subjektive Transformation sein, die ihnen ihre psychische Ladung nimmt.Es wäre durchaus denkbar, dass Christian Dobmeier mit seinen subtilen Störmanövern einen Weg zum Ruhm findet, auch wenn sich seine Intentionen darin nicht erschöpfend erfüllt fänden. Würde er sich dann den Mechanismen, die er zuvor so radikal analysiert hat, entziehen? Wäre es eine Frage des Wollens oder des Könnens? Würde sich sein Widerstand aus einem heroischen Motiv speisen oder seine Widerstandslosigkeit aus einem hellsichtigen Zynismus? Und wie würde sein Publikum darauf reagieren? Dass solche Fragen letztlich nicht eindeutig zu beantworten sind, daran wird die besondere Qualität von Dobmeiers Umgang mit den Paradoxien moderner Selbstreflexion noch einmal besonders deutlich. Und vielleicht ist es vor allem der ausgehaltene Zustand der Indifferenz hinsichtlich typischerweise vorgezeichneten Karrieren, der seinen Annäherungen an das Kunstfeld die entscheidende Spannung verleiht.
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