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Beyond Manzanar – Tamiko Thiel und Zara Houshmand


Auf der Suche nach den spannenden interaktiven Installationen, die unermüdlich versprochen werden, überkommt uns leider oft das Gefühl, Gefangene von virtuellen Szenarien zu sein. Die vielbeschworenen Navigationsmöglichkeiten mit dem Joystick sind vermutlich noch am überzeugendsten, wenn sie den von der Multimediaindustrie massiv geförderten Enthusiasmus ironisieren oder kritisch reflektieren, aber auch das kann auf Dauer natürlich nicht befriedigen.
Umso erfreulicher, wenn mit der interaktiven Virtual-Reality-Installation „Beyond Manzanar” nun eine Produktion realisert wurde, die die virtuelle „Gefangenschaft” mit der Erinnerung an eine reale Situation in einem Internierungslager verbindet, und damit dem selbstreferentiellen Zirkel eine ganz andere Note verleiht. Manzanar ist der Name eines jener Orte in den USA, wohin 1942 nach der Bombardierung von Pearl Harbour alle sich in den Weststaaten aufhaltenden Einzelpersonen und Familien japanischer Abstammung zwangsweise deportiert wurden, weil man sich so vor Attentaten schützen zu müssen glaubte.
In dieses Lager findet man sich mithilfe eines lebensgroß projizierten Videobildes versetzt, und in ihm kann man sich entlang der braunen Baracken bewegen – bis zu einem hohen Stacheldrahtzaun und den 4 Wachtürmen. Durch die Fenster der Baracken werden Alltagsszenen aus dem Lagerleben erkennbar, dessen BewohnerInnen sich nicht nur bis hin zum Anbau von Gemüse selbst zu versorgen versuchten, sondern auch darum bemüht waren, ihre amerikanische Gesinnung zu manifestieren, indem sie etwa eine Big Band betrieben oder Szenen aus der Geschichte der USA kostümiert aufführten. Solche Details erfährt man allerdings erst, wenn man sich ins Innere einer der Baracken manövriert, die neben realistischen Bildern auch Hintergrundmaterial enthalten. Die verschiedenen Ebenen der Geschichte sind collageartig miteinander verbunden und ermöglichen Querverbindungen – ähnlich wie das in Träumen der Fall ist. Die Düsterheit des ersten Eindrucks in den kargen Räumen wird noch durch eine akustische Ebene gesteigert, die Stimmengewirr und melancholische Musikfragmente zwischen die Bilder einzelner Internierter streut. Erst im Hintergrund trifft man auf ein Gruppenbild, in dessen Sphäre sich eine Passage zu einer Folge weiterer Räume öffnet.
Hinter Dokumenten, die die nationale Identität der vermeintlichen „Staatsfeinde” illustrieren, betritt man einen aufgeräumten Salon bürgerlich-musealen Charakters, dessen Wände mit den Highlights aus dem Vorleben der Inhaftierten bestückt sind: Fotos, die bezeugen, dass Japan-Amerikaner schon damals die Symbole U.S.-amerikanischer Normalität angenommen hatten. Aber sie pflegten auch japanische Traditionen, wie ein Zen-Garten beweist, der im Lager von Manzanar tatsächlich existiert hat, und auch im virtuellen Camp nicht fehlt.
Damit ist bereits eine Reihe von Brüchen mit dem zweifelhaften Ideal homogener nationaler Identität in Form einer Montage verschiedener Räume und Inhalte angedeutet, und sie wird noch an verschiedenen Stellen und auf verschiedenen Ebenen fortgesetzt. Während Tamiko Thiel, deren Urgroßmutter wegen ihrer japanischen Abstammung seinerzeit interniert worden war, vor allem die Rekonstruktion der historischen Realität beigesteuert hat – die übrigens von seiten des Pentagon ungewöhnlich lange geleugnet wurde – besteht der Ansatzpunkt von Zara Houshmand einer Iranisch-Amerikanerin darin, dass 1979/80 in den USA aufgrund der gespannten Lage Stimmen laut wurden, die die Internierung von Iranern in den USA verlangten. Die Dokumente dieser schließlich dann doch nicht realisierten Möglichkeit verdoppeln die Dokumente der tatsächlichen Aktion: es gibt auch hier Bilder der Aneignung amerikanischer Symbole, etwa ein mit „orientalischen” Mustern gerahmtes Portrait John F. Kennedys, der sich bei iranischen Amerikanern noch heute besonderer Beliebtheit erfreut.
Der unkontrollierbare Wechsel zwischen historischer Realität und beängstigend realer Möglichkeit kann im Ablauf der Interaktion dazu führen, dass man sich unversehens in einem iranischen Paradiesgarten wiederfindet. Einer der Ausgänge aus dieser Vision führt allerdings nicht wieder zu den Dokumenten jener fanatisierten Öffentlichkeit, die in ethnisch Abweichenden eine Bedrohung sieht, sondern bricht die Verbindung zum Joystick unvermittelt ab und wechselt in die Perspektive eines Kampfflugzeugs, das kriegsbereit über dem Lager kreist.
Als eine Art abschließende Geste wird die virtuelle Gewalt, die das gesamte Szenario ins Bewusstsein ruft, mit einem poetischen Text beantwortet, der in englischer Sprach zu lesen und auf japanisch gesungen zu hören ist. Das sollte aber nicht davon ablenken, dass es mit der Installation gelungen ist, auch die multimedialen Elemente in eine Form zu bringen, die der Poesie analoge Assoziationen und Irritationen provoziert.

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Michael Hauffen

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