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Skandal im Offenen Kanal!


Der Offene Kanal in Hamburg stellt eine der wenigen Ausnahmen im bundesrepublikanischen Fernsehspektrum dar, insofern dort weder offizielle Politik noch Kommerz die Programmgestaltung dominieren sollen. Wie es einer Gesellschaft, die auf die völlige Unterwerfung auch der Freizeitgestaltung unter das Primat von Leistungsfähigkeit und Konformität programmiert ist, heute gelingt, alle Alternativen wie Reservate an den Rand zu drängen und mit Zensur zu bedrohen, läßt sich exemplarisch am Fall des Künstlers Hans Christian Dany demonstrieren, dem die Gestaltung einer Sendestunde pro Woche, jeweils am Montag von 19 bis 20 Uhr übertragen worden war.
Seinen Sendungen lag die schlichte Idee zugrunde, mit dem reichen Material das als Videokunst in der Regel auf ein kleines Publikum von Spezialisten und Liebhabern beschränkt ist, an die größere Öffentlichkeit dort zu gehen, wo diese auch für derartiges am besten ausgerüstet ist, nämlich am eigenen Fernseher. Es ist keine Frage, daß er damit nur die Intentionen dieser abseits der Medienindustrie Produzierenden aufgreift. Denen ist allerdings bekannt, daß angesichts der engen Verflochtenheit von wenigen Medienkonzernen und staatlicher Kontrolle, wenig Hoffnung auf ein Tele-Forum für ihre Beiträge besteht, die sich etwa dem kritischen Potential der künstlerischen Avantgarde verpflichtet wissen und außerdem nicht in der glücklichen Lage sind, als Superstars zu gelten.
Andererseits ist es leider normal, wenn sich alle diejenigen, die mit den Strukturen offizieller Repräsentation individuell oder sogar professionell identifiziert sind, von solchen Alternativen provoziert fühlen. Werden doch schon von den geringsten Demonstrationen dessen, was außerhalb des leuchtenden Dauertraums von der perfekten Welt an kreativem Potential vorhanden ist, wohlgehütete und bequeme Selbstverständlichkeiten zutiefst in Frage gestellt.
Regelmäßig wird aber auch über alle Kanäle versprochen, daß die Einsicht in die wichtige Rolle einer lebendigen Kultur, und dazu gehört auch die zeitgenössische Kunst, ernst genommen werden soll, und der ihr zustehende Platz eingeräumt werden wird. Mit dem permanent sinkenden Niveau öffentlicher Auseinandersetzungen und verbreiteter kultureller Regression sind ja auch Gefahren verbunden. Gegen sogenannte Politikverdrossenheit, jugendliche Gewalt, Haß auf fast alles Fremde, etc., gälte es gerade die heterogene Vielfalt kulturellen Reichtums im Alltag zur Sprache kommen zu lassen.
Hans Christian Danys Programm kann als in diesem Sinne positive Arbeit aufgefaßt werden. Im Gegensatz zu Redakteuren, die sich angesichts der von ihnen vertretenen Kunst vorsichtig verhalten, und im Wissen um die Übermacht des Mittelmaßes bereits selbst Zensur ausüben, hat Dany - vielleicht weil er mehr Künstler als Verwalter ist - gar nicht erst darauf spekuliert, einen absolut sauberen Eindruck zu machen. Natürlich entgeht so etwas nicht der Aufmerksamkeit manisch ordnungsliebender Mitmenschen. Bis hin zur Diskussion in der Hamburger Morgenpost, ob es pervers sei, wenn im Offenen Kanal ein tanzender nackter Mann zu sehen sei, könnte man noch meinen, daß dies eine Diskussion wäre, die diese unsere Öffentlichkeit eben nötig hat. Allerdings zeigte sich bei den Äußerungen von seiten der Journalisten und Politiker, daß es hinter lauthalser Betroffenheit nur um ein engstirniges oder skrupelloses Ausspielen von Ressentiments ging. Aber es gab auch Gegenstimmen: daß ein Mißverhältnis bestehe zwischen derart demonstrativem Ekel und eingefleischtem Konsens mit dem medial allgegenwärtigen pornografischen Dauerfeuer, wurde von einigen Zeitgenossen noch deutlich genug ausgesprochen.
Gegen die massive Angst vor allem Fremden hat das schließlich nicht geholfen: Ausgerechnet wegen des Vorwurfs der Verbreitung pornografischen Materials soll nun Dany ausgeschlossen werden. Aufgrund einer Bildsequenz von 0,6 Sekunden Dauer in einer Sendung am 17. April, deren Inhalt die Parodie auf den beispielhaft obszönen Charakter einer Werbung für Speiseeis war, wurde er als jugendgefährdend mit sofortiger Wirkung ausgeschlossen. Es ist offenkundig, daß hier die Verhältnismäßigkeit der Begründung nicht mehr gegeben ist, und die eigentlichen Gründe für die Vorgehensweise der "öffentlichen Anstalt für neue Medien" in jener Struktur ängstlicher Verleugnung zu suchen sind, die ihren permanent offenen Kanal im alltäglichen Sexismus braucht.
Wie soll sich künstlerisches Potential im öffentlichen Medium Fernsehen verwirklichen können, wenn derart irrational und ungerecht mit Repression und Verweigerung einer offen geführten Diskussion operiert wird? Im Nachhinein wird vielleicht auch klar, warum Dany trotz der ihm schon angedrohten Kontrollen vermieden hat, sich auf die Weise zu verhalten, die man als "professionell" bezeichnet, sondern bei der ihm aufgezwungenen Selbstzensur eine gewisse Lockerheit walten ließ, die zu jenen 0,6 Sekunden geführt hat: solche Art der Überwachung und Verurteilung bedeutet bereits das Ende der Offenheit.

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Michael Hauffen

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