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Olafur Eliasson - Sonne statt Regen


Die Grundzüge der Installation sind schnell beschrieben: Auf einer der beiden Seitenwände des Kunstbaus erscheinen über die gesamte Fläche von 120 mal 10 Metern auf einer von hinten beleuchteten Membran Farben. Manchmal erstrahlt dabei nur eine einzige Farbe, manchmal breiten sich aber auch verschiedene Farben wellenförmig seitwärts aus. Die Wellen bewegen sich langsam und durchweg mit weichen Übergängen. Die hohe Leuchtkraft, erzeugt von unzähligen Neonröhren, bewirkt, dass der Raum einmal taghell und dann wieder dunkel dämmernd erscheint, und die Stimmungen der Lichtfläche wie ein Resonanzkörper zurückwirft. In diese „Lichtmaschine” taucht man daher ein wie in eine geschlossene Sphäre, eine eigene Welt.
Trotz der großen Mengen an Magenta, Violett, oder knalligen Primärfarben stellt sich spontan das Erlebnis einer Lichtsituation ein, wie man sie aus Naturlandschaften kennt. Man bleibt sich zwar durchaus bewusst, dass dieser Eindruck durch ein, abgesehen von den Dimensionen, einfaches technisches Prinzip ausgelöst wird – das trübt aber diese wunderbar entspannende Empfindung von Weite keineswegs.
Vielleicht steigert es sie sogar noch. Denn das Wissen, dass hier der eigene Körper getäuscht wird, dass die Natur also nicht nur als Lichtphänomen technisch rekonstruiert, sondern auch als Wahrnehmungsorgan überlistet werden kann, sorgt für zusätzliche Emphase.
Allerdings dürfte vor allem letztere auch die Skepsis auf den Plan rufen, die den Einsatz von Technologie heute vor allem dann begleitet, wenn der Respekt vor natürlichen Prozessen (und Umwelten) in Omnipotenzphantasien umzuschlagen droht. Und die Gefahr, dass im Zuge diesbezüglich naiver Entwicklungen irreparable Schäden mit womöglich katastrophalen Ausmaßen die Folge sein können, muss heute nicht mehr beschworen werden – sie rückt uns ständig näher auf den Leib.
Eliassons Antwort darauf lässt sich weder als mahnend noch als affirmativ beschreiben. So wie die moralische Aufforderung zur Bescheidenheit im Umgang mit der Umwelt unsere eigene Psychodynamik in der Regel genauso verkennt, wie sie Idealisierungen vermeintlicher natürlicher Ordnung festhält, genauso ist die durchschnittliche Gegenreaktion auf die Errungenschaften der Technik zu pochen, noch kein Ansatz zu einer Lösung des Problems.
Der entscheidende Punkt liegt hier in der Selbsterfahrung. Während die Technik normalerweise nur als Mittel für bestimmte Zwecke erfahren wird, die wir an sie herantragen (und die dann Einiges „heiligen”), ist in dieser „Lichtmaschine” die Erfahrung einer Wirkung, die das zweckhafte, instrumentalisierende Denken überschreitet, das Entscheidende. Die Lichtmaschine ist eine Wunschmaschine, die mit der Rückkopplung von subjektiven und objektiven Faktoren dem despotischen Kontroll-Ego ein Schnippchen schlägt.
Dabei muss sie aber keineswegs vergessen machen, dass sie ein Konstrukt ist, das einen hohen Preis, Anfälligkeiten für Störungen, und eine begrenzte Dauer, etc. hat. Als Betrachter kann man sich ganz von ihrem Farbfluidum tragen lassen, ohne andererseits die Quelle, aus der diese Möglichkeit kommt, mystifizieren zu müssen. Die Bedingung der Parallelität von Genussfähigkeit und Nüchternheit kann auch paradigmatisch aufgefasst werden: sie weist auf die Möglichkeit einer Beurteilung von Konflikten aus einem komplexen Ganzen heraus, in dem jede Bemühung um einen Abgleich gegensätzlicher Perspektiven, also etwa auch zwischen Technologie und ihrer (sozialen und natürlichen) Umwelt verortet werden müsste.
Damit ist eine ästhetische Strategie formuliert, die sich leicht auf Traditionen des Modernismus, wie monochrome und konkrete Malerei oder Pop- und Op-Art zurückbeziehen lässt. Vor kurzem war im Münchner Lenbachhaus eine Retrospektive von Werken Günther Fruhtrunks zu sehen, der im Medium des Tafelbildes ähnliche Ziele verfolgt hat. Doch während in seinen Bildern neben den leuchtenden Farbflächen eine manchmal äußerst aggressive Rhythmisierung nötig zu sein scheint, um die Distanz des Betrachters vom Werk in die Erfahrung anonymer Intensität zu transformieren, genügt bei Eliasson der zeitliche Verlauf und das räumliche Übermaß.
Ist dieser Anschein von Befriedung ohne Abschwächung, der sich hier auf lichttechnische Weiterentwicklungen stützt, nur eine Täuschung über die tatsächlichen globalen Effekte des Fortschritts, so wie die exklusive Situation eines hochsubventionierten White Cube über die brutale Realität wirtschaftlicher Ausbeutung hinwegtäuschen kann? Wie auch immer – die Frage stellt und beantwortet sich anders, je nachdem, ob man sich in dieser Maschine befindet oder außerhalb, und das Urteil von außen ist sicherlich nicht unbedingt das überlegene.
Dennoch wäre vielleicht ein geringes Mehr an Unruhe in der Farbdramaturgie kein Nachteil gewesen. Ironischerweise sind es kleine Ungenauigkeiten in der Technik, gelegentliche relative Abweichungen der Helligkeiten verschiedener Neonröhren, die diesen Wunsch provozieren. So subtil dieses Flimmern auch ist, markiert es doch den Punkt, wo die Apparatur Eigenleben entfaltet und die sanfte Welt monumentaler Lichtfluten ihre Homogenität verliert. An deren Brechung werden Dissonanzen denkbar und lassen die Vorstellung einer Regie zu, die von den Effekten ihrer Anweisungen selbst irritiert wird – womit eine weitere Instanz des Geschehens aufhören würde, den Anschein von Autonomie zu wahren. Aber die Entscheidung für die eine oder andere Variante ist wohl auch eine Sache des Geschmacks und es kommt vor allem darauf an, dass hier ein großer Wurf gelungen ist.

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Michael Hauffen

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