Olympiapark München18. Juli bis 12. Oktober 2003
erschienen 2003 in KUNSTFORUM
Der Münchner Olympiapark steht derzeit an einem Wendepunkt seiner Geschichte: Seine Funktion als Austragungsort nationaler und internationaler Fußballspiele wird demnächst ein neues Stadium übernehmen. Nicht zuletzt die Diskussionen um einen möglichen Abriss bzw. Umbau des Olympiastadions haben außerdem das Bewusstsein dafür erzeugt, dass es sich beim Olympiapark um ein historisch einmaliges und schützenswertes architektonisches Ensemble handelt, das nur als Ganzes jenen euphorischen Geist der Utopie verkörpert, der zur Zeit seiner Realisierung einen Höhepunkt erreicht haben dürfte. Das Ausstellungsprojekt impark1 lotet nun erstmals die Möglichkeiten aus, die sich in diesem Kontext für Kunstprojekte bieten. Mit stolzen dreihundert Metern symbolisiert der Olympiaturm den utopischen Anspruch als Vertikale. Wenn Norbert Radermacher auf einer Plattform ein goldenes Vasenobjekt platziert, streicht er den inzwischen schon leicht antiquierten Charakter dieser Manifestation in Beton heraus. Der Turm und mit ihm der Park können dann als Symbol einer gerade vergangenen Kultur gelesen werden – der Wunsch dazu ist jedenfalls vorhanden. Analog dazu evoziert Afra Dopfers Volumenkopie einer der Kassenboxen einen distanzierten Blick auf den Alterungsprozess einstiger Visionen, die inzwischen den Charme überholter Modelle ausstrahlen. Auch bei M+Ms Umfunktionierung der Stadion-Anzeigetafeln zum Display des elektronischen Spiels „Pong”, das man seinerzeit mittels Zusatzgerät an einem Fernseher zu spielen pflegte, verbindet sich ironische Distanzierung von medientechnologischer Hybris mit dem eigenen Wunsch nach Größe. Bei Stephan Kerns beiden Stahlstehlen drückt sich das im Titel („3 Türme”) aus, während Stefan Eberstadt und Stephan Fritsch, deren Objektensembles mit dem Impetus von Sandkastenspielen einige Details der Parkanlagen kopieren, die Autorität von Gebautem als solchem relativieren. Konkretere historische Kritik meldet die Arbeit von Claus Föttinger an, dessen Pseudo-Gedenkstätte auf dem Olympiaberg an das PLO-Attentat 1972 erinnert – auch wenn die spektakulären Pressefotos, die hier Sitzflächen und ein Podest bedecken, davon zeugen, dass eine Verarbeitung der globalen politischen Zusammenhänge weitgehend vermieden wurde. Die Ursachen des Terroranschlags sind heute nicht weniger virulent, und es ist daher nahe liegend, sie auch in ihrer aktuellen Form zu thematisieren. Dies unternimmt Mariott Stollsteiner mit einer ebenso eindringlichen wie formal strengen Installation: Vier orangefarbene Sitzbänke im Quadrat sind ebenso wie die Bodenfläche mit ornamenthaft angeordneten Texten bedeckt, die ihre gekachelte Oberfläche bedecken. Es handelt sich um Stellungnahmen palästinensischer und israelischer Frauen zu ihrer erdrückenden Situation, die in ein engagiertes Plädoyer für Frieden münden.Schließlich graben sich Korpys/ Löffler buchstäblich noch tiefer in geschichtliche Tiefen vor, wenn sie einen Stollen in den Olympiaberg hineintreiben. Dieser Berg hieß vor 1972 bekanntlich schlicht „Schuttberg” und verdankte sein Volumen den zerstörten Gebäuden des 2. Weltkriegs, deren Reste hier zusammengetragen worden waren. Auch wenn die Grabungsarbeiten jetzt nur wenige Meter ins Innere dieses Berges vordringen konnten, kann doch von einer symbolischen Erschließung verschütteter Erfahrungen ausgegangen werden. Schon die bis hierhin berührten Konfliktpotentiale reichen aus, den Glauben an eine bessere Zukunft zu erschüttern. Wenn es dennoch einige Künstler unternehmen, nach einer solchen zu suchen, dann ist allerdings die Gebrochenheit der Perspektiven ein Zeichen ihrer Reflexion. Tobias Hausers Arbeit „Walden”, deren einer Teil die Replik jener schlichten Hütte im Wald darstellt, in der der Schriftsteller Henry David Thoreau zur unverdorbenen Natur des Menschen zurückfinden wollte, besteht aus noch einem zweiten Teil: einer Bautafel, die nicht nur die Ideen Thoreaus proklamiert, sondern sie auch als soziales und psychisch komplexes Unternehmen definiert. Daniel Roths Projekt „Glaswaldsee” ließe sich als ergänzende Recherche beschreiben, in der Naturromantik einen breiten Resonnanzboden findet. In seinen Zeichnungen und Objekten (die in einer Vitrine der Olympiaschwimmhalle ausgestellt sind) konfrontiert er organische Naturformen mit futurisch anmutenden Konstrukten und spitzt damit das Problem der Vereinbarkeit jener heterogenen Prinzipien zu. Damit sind noch nicht alle Facetten des Ausstellungsprojekts impark1 erschöpft. Sie erstrecken sich darüber hinaus auf das Thema Breitensport, wenn Marie Denis ein Fußballfeld auf einem Hanggelände installiert, auf die Selbstinszenierung in touristischen Kontexten, wenn Vadim Fishkin zu einer „snow_show” einlädt und auf surreale, sinnbildliche und karnevaleske Phantasien, wenn Karina Smigla-Bobinski bizarre Inseln, Michael Kienzer eine Reihe von Fußabstreifern, oder Thaddäus Hüppi einen maskenhaften Spritzbrunnenkopf in die künstlichen Teiche setzen. Hermann Mayer-Neustadt erprobt außerdem visuelle Qualitäten von semitransparenten Materialien, Elisabeth Brockmann antwortet auf die Überdimensionierung der Architektur mit einer Überdimensionierung des Menschenbildes und STALKER überschreiten die normative Ordnung des Freizeitparks, indem sie ihn als Fundort von Nahrungsmitteln benutzen. Die Schilder von Odile Fuchs verdeutlichen schließlich noch einmal die Tatsache, dass es sich in diesem, wie in jedem anderen Park um ein System von Zeichen handelt, und dass deren Autorität im Alltag verwurzelt sein muss, wenn sie Geltung haben soll. Indem sie ihrer Phantasie freien Lauf lässt, und ehemals vertraute Symbole mit unerwarteten Kontexten und Erfahrungen verknüpft, führt sie in konzentrierter Form vor, was zwischen allen künstlerischen Interventionen in das System Olympiapark den gemeinsamen Nenner darstellen könnte: ein mehr oder weniger nachhaltiges Spiel mit der Bedeutung von Zeichen und Symbolen.
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