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Claudia Kugler - Cabin Fever


Die Kunst der Alchemisten forderte die gottgegebene Ordnung heraus, indem sie sich dem Ziel eigenmächtiger Herstellung von Gold verschrieben. Ihre Geheimwissenschaft sollte die Gewinnung von Reichtum – ohne Schweiß, Blut und Tränen ermöglichen. Heute hat sich daraus eine Technologie entwickelt, die zwar das ursprüngliche Ziel aus den Augen verloren, die Magie der Überwindung naturgegebener Grenzen aber immer weiter getrieben hat. Trotz aller technischen Errungenschaften wird man hierin allerdings nicht in vollem Ernst einen Triumph der Technik sehen können. Die Grenzen haben sich nur verschoben. Neben die in globalem Maßstab generierte Krisenhaftigkeit ökologischer und sozialer Verhältnisse ließen sich moderne psychische Perspektiven stellen, aus denen heraus sich die Fragwürdigkeit der erreichten Verbesserungen aufdrängt.
Umso größer wird folglich auch der Stellenwert der Kunst bleiben, wenn deren Funktion darin besteht, die Beschränktheit alltäglicher Fortschrittsdogmen zu überschreiten. Wie könnte also eine Kunst aussehen, der das gelingt?
Claudia Kuglers Arbeiten erweisen sich diesbezüglich nicht als Wegweiser, aber als Konstrukte, anhand derer sich die Fragestellung vertiefen lässt. Mit ihren digital erzeugten Bildern von elementaren räumlichen Konstellationen arbeitet sie sich dabei an die Grundlagen der Medien Fotografie und Film heran, deren zunehmende Bedeutung als technisch reproduzierbarer Ersatz für tradierte Erfahrungsräume auch auf den Cyberspace verweist.
Scheinbar selbstverständliche Voraussetzungen filmischer Imagination wie eine simple Anordnung von Wandflächen, die vor tiefdunklem Hintergrund eine vage räumliche Orientierung bieten, machen deutlich, dass bereits hier auch emotionale Kontexte vorstrukturiert werden. Vielleicht ist es aber auch nur das Fehlen weiterer Anzeichen kommunikativer Intention, das beispielsweise einen Grundton des Unheimlichen erzeugt. Elemente, die etwa im Foyer eines Unternehmens dessen repräsentativen Charakter unterstreichen und dem sie wahrnehmenden Besucher das Gefühl der Wertschätzung geben würden, wirken – eines solchen Kontextes beraubt – zwar immer noch exklusiv und faszinierend, lass en aber den Versuch, ihre Funktion zu verstehen, ins Leere laufen und werfen den Betrachter gnadenlos auf sich selbst zurück.
Gewohnheitsmäßige Kunstbetrachter sind allerdings mit derartigen Abstraktionen vom Kontext bestens vertraut. Elementare Farbe, Form, Gestik, Räumlichkeit – all das tendiert inzwischen zur Banalität und droht in der Wiederholung als akademische Übung zu wirken. Kugler scheint angesichts dessen dennoch an dem Vorhaben experimentierender Strenge in Bezug auf fundamentale Problemstellungen festzuhalten. Indem sie ihr Material minimalen Transformationen unterzieht, erreicht sie jeweils Suggestionen unterschiedlicher Qualität, die die subtilen Möglichkeiten des Mediums in ihrer Vielheit deutlich werden lassen. Die Arbeit o.T. (cabin V) zeigt grelle Lichtreflexe auf einer dunklen Steinplatte, die am rechten Bildrand ganz im Dunkel verschwindet. Die trashige Note der Blitzlichtszene wird zusätzlich zu den extremen Kontrasten noch durch einen Bruch in den Farbwerten verstärkt: wie bei einer schlampigen Montage oder bei Fehlern im Datenmaterial, sind die Farben oberhalb einer ungefähr waagrechten Linie röter und heller. Das ursprüngliche Motiv wird somit mehrfach medial gebrochen, und entfaltet eine Ästhetik des Hässlichen. Welchen Realitätsgrad die Granitplatte hat, ob sie tatsächlich existiert, oder nur computergeneriert ist, wird damit zur Nebensache.
Auch die violett-schwarz geäderten Farbflächen, die die Grundlage für die beiden großformatigen Arbeiten o.T. (cabin II u. III) bilden, leben von der Irrealität ihrer Erscheinung. Sie weisen aber einen hohen Grad an Perfektion auf, insofern eine offenbar künstlich erzeugte, durchsichtig gekräuselte Oberfläche die Suggestion kostbarer oder seltener Stofflichkeit ins Spiel bringt. Wie beim gemalten Marmor des Barock kann man dabei die Vorzüge des Künstlichen gegenüber dem Echten genießen.
In der computergenerierten Animation o.T. (cabin I) erinnern die nackten Betonwände, die ein Kameraschwenk ablichtet, an die rohe Ästhetik von Computerspielen. Die äußerst langsame Bewegung des Schwenks lenkt jedoch die Aufmerksamkeit von der radikalen Kargheit des Raumes auf die feine Maserung der Holzverschalung, die in der grauen Oberfläche des Betons ihre Spuren hinterlassen hat. Assoziative Bedeutungen des Materials als Zeichen vermischen sich auch hier mit sensorischer Erregung.
Claudia Kuglers Arbeiten zeigen damit gerade in ihrer minimalistischen Konzentration, dass ästhetische gegenüber anderen Formen der Welterzeugung keinen untergeordneten Rang einnehmen, sondern ihre eigene Logik produzieren. Alchemisten wie Technologen könnten von dieser Einsicht profitieren.

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Michael Hauffen

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