Kunsthalle München, Lothringerstr16.05.2007 – 08.07.2007
erschienen 2007 in springerin
Der Fall der Mauer war ohne Frage auch ein Akt souveräner Selbstbestimmung von Menschen, die unter einer absurden Machtkonstellation zu leiden hatten. Der fromme Wunsch von neuen Impulsen für eine träge gewordene Demokratie, die das andere Deutschland zu neuen Bundesländern machte, hatte sich allerdings bald wieder in Nichts aufgelöst. Zurück bleibt der schale Geschmack von alten Klischees, die trotz der vorübergehenden Umbruchstimmung wieder reaktiviert wurden – Klischees von der Überlegenheit westlicher Tatkraft gegenüber östlicher Rückständigkeit und der daraus resultierenden Unfähigkeit neoliberalen Anforderungen gerecht zu werden. Die aus dem Westen genossen im Osten zunächst die schauerliche Kulisse von Verfall und Rückständigkeit gemessen an ihren eigenen Standards, gingen aber bald von dieser Art Romantik dazu über, die hierin sich bietenden Chancen zur Investition zu realisieren, und etablierten damit eine Art Kolonialismus im eigenen Land. Als Ausläufer dieses Booms könnte man auch den Hype der Leipziger Malschulen sehen, wobei hier wie dort der Höhepunkt inzwischen erreicht sein dürfte. Peggy Meinfelder, die im Süden der DDR direkt neben dem Grenzzaun aufgewachsen ist, distanziert sich deutlich von solcher Art Handreichungen und Entdeckungen, die letztlich nur dazu führen, dass der Reichtum der Konsumkultur den Maßstab für Freiheit darstellt. Ihre Arbeit „Westpaket”, führt anschaulich vor, womit die westlichen Gönner zu Zeiten des kalten Krieges Ihre Ost-Verwandten geschenkweise bedachten, und wie sich die Bedachten offenbar durch eine streng formalisierte Aufteilung der kleinen Mengen an billigen Süßigkeiten und Backzutaten über das Gefühl hinwegzusetzen versuchten, als Menschen zweiter Klasse behandelt zu werden. Sie zeigt damit exemplarisch, wie schon im Vorfeld des Mauerfalls die propagierte Freiheit des Westens seine weniger respektablen Seiten nur verhüllte. In wirklich großem Maßstab wurde die Einladung des neuen Regimes, erste Schritte hinsichtlich eines konsumistischen Daseins zu unternehmen, in Form des so genannten Begrüßungsgeldes überreicht. Für Meinfelder markieren diese „100 Westmark” denn auch eine Art von sozialer Urszene, anhand von deren Spuren sie die bis heute bestehenden symbolischen Mauern zwischen Ost und West kartografiert. Mit einer umfangreichen Sammlung von Interviews zur Frage nach der Verwendung dieser einhundert D-Mark nimmt sie den Vorgang unter die Lupe. Im Nachhinein erscheinen viele der getätigten Käufe kaum die Zeit wert, die man dafür in der Warteschlange zubringen musste. Ein Teil der Betroffenen hat diesen Vorgang allerdings weniger ernst genommen, oder sich gar nicht darum gekümmert. Sonst müsste man auch denken, dass bereits in diesem Moment die Mehrzahl der neuen Bundesbürger kapituliert haben oder zur Kapitulation verführt wurden. Die meisten dieser Gegenstände existieren heute nicht mehr, oder stellen eine Art von Konsum-Schrott dar. Ein paar davon bilden eine kleine Sammlung, die Meinfelder in einem Regal angeordnet und mit kleinen Zetteln versehen hat, auf denen, wie bei archäölogischen Fundstücken, kurz der Name der KäuferIn und der Grund der Kauf-Entscheidung vermerkt sind. Ausführlichere Schilderungen der Art und Weise, wie einzelne Befragte damit umgegangen sind, macht die Stimme eines professionellen Sprechers hörbar. Als Pendant dazu erscheinen an die Wand projizierte Texte, die ebenfalls im Rahmen einer Befragung erhobene Aussagen von Westdeutschen mit ihren ersten Erfahrungen mit Ostdeutschland wiedergeben. Während man nun versucht, gleichzeitig zuzuhören und zu lesen, was faktisch unmöglich ist, kommt einem der Verdacht, dass es sich hier auch um inhaltlich inkompatible Erfahrungen handelt, deren letztliche Unvereinbarkeit durch die Inszenierung betont wird. Immerhin bekommt man aber auch genug Bruchstücke mit, um zu erkennen, dass sich in der kurzen Übergangszeit der Wende Raum für eine Vielfalt von Erfahrungen bot, deren Potential danach irgendwie versandete.Jedenfalls wird einem angesichts dieser Stellungnahmen wieder einmal klar, dass die Geschichte der Wiedervereinigung und der durch sie geschaffenen Fronten im Raum der Kunst kaum noch problematisiert werden. Meinfelder beharrt auf der Aktualität dieses Themas – ein Ansatzpunkt, den man weiter verfolgen sollte.
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