springer wien2007
erschienen 2007 in KUNSTFORUM
Wenn man die Auffassung teilt, dass auch heute – unter den Bedingungen breiter Offenheit für Kunstformen aller Art – die eigentlich avantgardistischen Kunstbewegungen gegen den Mainstream verteidigt werden müssen, der nach wie vor einem ästhetischen Illusionismus huldigt, wenn auch in vielfach modernisierter Form, dann wird man sich nach geeigneten Theorien umsehen müssen, die einen dabei unterstützen. Hans Ulrich Reck bietet dazu eine neue Sammlung von Texten, die aus medientheoretischer Perspektive herkömmliche Konzepte wie Kunstgeschichte oder kunstphilosophische Ansätze endgültig überwinden könnten. Im Mittelpunkt steht der systemtheoretische Begriff des Mediums, wobei hier nicht nur die sogenannten neuen, also technischen Medien gemeint sind, sondern jede Art von Grundlage kommunikativer Prozesse. Neben Sprache, Schrift und Presse spielen also auch visuelle Medien eine entscheidende Rolle, die sich ebenfalls anthropologisch ( z.B. in der Bedeutung von Gesten und Ritualen) begründen lassen. Da Medien keine Gegenstände sind, die sich "objektiv" beobachten lassen, sondern eben die Strukturen der Vermittlung, durch die wir Gegenstände erst erfahren, lassen sie sich auch nicht ohne Umstände erforschen. Trotzdem wissen wir heute von Ihrer Bedeutung, wenn wir etwa davon ausgehen, dass der Kontext einer Darstellung deren Stellenwert beeinflusst. Nach Reck lässt sich das hier mit Kontext Gemeinte auf eine Vielfalt von im Medium zusammenwirkenden Faktoren ausweiten. Um diese zu verstehen bedarf es besonderer Methoden, und womöglich sind es überhaupt nur ästhetische Strategien, die dabei etwas erreichen. Um deren Wirkungsweise in Begriffe umzusetzen, gilt es jedoch zunächst sich über die Begrenztheit überkommener Theorietraditionen klar zu werden. Im Fall der Kunstgeschichte bildet etwa die Tatsache, dass diese auf Phänomene wie die concept art oder die Einführung technischer Medien in die Kunst wie auf eine störende Provokation reagiert, den Auslöser, um sich von deren starren Schemata, vor allem in Bezug auf das, was als Werk gelten kann, oder wo die Autorschaft verortet wird, zu lösen. Die Abarbeitung kommunikationstheoretischer Begriffe an denen der Kunstgeschichte lohnt sich aber auch insofern, als diese ein Musterbeispiel dessen darstellt, was Reck als Medium begreift: wird doch durch ihre Form der Beschreibung von Kunst, die in ihrer Epoche zudem eine Monopolstellung beanspruchen konnte, eine massenmediale Kontrolle der Einbildungskraft mitgetragen. Die Eckpfeiler dieses Regimes könnte man mit dem Mythos der Hochkultur, der reinen innerer Vision des Genies und der Illusion einer objektiven Wahrheit benennen.Die sozialen Grundlagen des Mediums Bild als Steuerungsinstanz aller Vorstellungen haben sich allerdings zuletzt radikal verändert. Und während der Modernismus noch als Versuch zu verstehen sein dürfte, das traditionelle Kunstmodell zu verteidigen, traten spätestens mit Pop Art und Konzeptkunst ästhetische Strategien auf den Plan, die sich die veränderten Bedingungen im Sinne dessen zunutze machten, was etwa Umberto Eco das „offene Kunstwerk” nannte. Akteur ist hier nicht mehr so sehr der Künstler, als vielmehr der Rezipient, der den ideellen Impuls eines Konzeptes aufnimmt und in seine eigenen Strukturen so integriert, das dabei etwas Neues entsteht. Womöglich ist der Höhepunkt der Phase, in der Kunst mit dieser Intention betrieben wurde, vorerst überschritten, umso wichtiger dürfte aber eine Theorie sein, die deren Wirkungsweisen präzise zu fassen sucht, und zudem zeigt, wie sehr sie inzwischen in der Alltagsästhetik Fuß gefasst haben.Hans Ulrich Reck, Das Bild zeigt das Bild selber als Abwesendes. Springer Verlag, Wien, 2007, 411 S., 34,95 EUR.
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