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Dinge, von denen man (nicht) weiß, dass man sie (nicht) weiß.


Wissen spielt heute eine große Rolle, es stellt eine Produktivkraft ersten Ranges dar. Aber unsere globale Gesellschaft ist trotz eines extremen Wissenszuwachses offenbar den Lösungen für die dringendsten Probleme nicht wirklich näher gekommen. Es hat sich sogar der Eindruck verstärkt, dass gerade das Wissen, jedenfalls in der Form wie es vorherrschend praktiziert wird, eine Quelle neuer, in dieser Größenordnung bisher nicht gekannter Gefahren darstellt.

So wurden die Zweifel in Bezug auf die Gefahren der Atomkraft durch Risikoberechnungen von überzeugten Experten zerstreut, die sich heute als fatal erweisen. Kreditkrisen wurden sogar gerade durch die Mittel ausgelöst und verstärkt, die von neoliberalen Wirtschaftswissenschaftlern erdacht worden waren, um unvermeidliche Risiken zu streuen und Schieflagen zu verhindern. Und schließlich wurden mit politischen Entscheidungen, die von der Überlegung bestimmt waren, eine für sicher geltende Herrschaftsordnung zu verteidigen, ebenfalls den globalen Frieden gefährdende Entwicklungen heraufbeschworen.

Als Ausweg aus diesen Dilemmata scheint sich ein Wissen zweiter Ordnung anzubieten. Dabei wird das Wissen selbst zum Gegenstand von wissenschaftlichen Überlegungen. Allerdings ist dabei nicht mit endgültigen Wahrheiten zu rechnen. Vielmehr stellen sich hier die Grenzen des Wissen in den Formen der Unentscheidbarkeit und der Unberechenbarkeit dar, die selbstbezügliche Systeme generell charakterisieren.

Diese Überlegungen kristallisieren sich in der formelhaften Darstellung eines Aussage-Satzes, der eine Äußerung des früheren US-amerikanischen Verteidigungsministers Donald Rumsfeld aufgreift und logisch vervollständigt (1). Es ergibt sich ein kombinatorisches Resultat von vier verschiedenen Statements, die neben der selbstgewissen Aussage, ”wissen, was man weiß”, der Erkenntnis der eigenen Begrenztheit, ”wissen, was man nicht weiß” und der Rumsfeld’schen Pointe, ”nicht wissen, was man nicht weiß”, noch als vierte Möglichkeit, mit ”nicht wissen, was man weiß”, die Struktur des unbewussten Wissens einschließt (2).

Der kombinatorische Vorgang, der darin besteht, die beiden aufeinander bezogenen positiven Satzteile jeweils mit einer Negation zu versehen, wird grafisch dargestellt durch eine körnige Struktur, in der sich die einzelnen Worte als Resultat eines offenen Prozesses abzeichnen, wobei die beiden Negations-Zeichen (”nicht”) die Schwelle der Erkennbarkeit nur knapp erreichen.

Als Plakat im öffentlichen Raum wirft die Arbeit die Frage nach den logischen Grenzen und Möglichkeiten des Wissens auf und verweist auf den Hintergrund ethischer Voraussetzungen, die spätestens bei der Anwendung dieses Wissens ins Spiel kommen.

Michael Hauffen / Pia Lanzinger

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1) vgl. auch seine jüngst erschienene Publikation ”Known and Unknown. A Memoir”, 2001.
2) worauf bereits Slavoj Zizek (in: ”Living in the End Times”, 2010) hingewiesen hat.

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