Grazer Kunstverein10. Mai – 11. Juni 2011
erschienen 2011 in springerin
Mit der jüngsten Weltfinanzkrise verdichten sich erneut die Hinweise darauf, dass die ungehinderte Entfaltung kapitalistischen Wirtschaftens keineswegs zu einem Ende der Geschichte führt, sondern vielmehr ein zunehmendes Gefahrenpotential darstellt. Mit dem letzten Großversuch finanztechnischer Art, den Kreditausfallversicherungen und ihren kaskadenförmigen Bündelungen und Verbriefungen, musste auch die vorerst letzte Hoffnung auf das Selbstregulationsvermögen von Märkten als gescheitert erklärt werden, ein Scheitern, für das vor allem Außenstehende aufzukommen haben werden. In der Öffentlichkeit wird allerdings versucht, weitgehendes Stillschweigen darüber zu wahren. Auch das Feld der Kunst, scheint sich da in Zurückhaltung zu üben. Sind etwa die Tücken entfesselter Spekulation und ihrer maßlosen Übertreibungen, sowie die von ihnen ausgehenden Verwerfungen von Zeit und Raum nicht visualisierbar? Isa Rosenberger begab sich mit dieser Frage im Kopf auf die Suche nach möglichen Vorbildern in der jüngeren Kunstgeschichte und stieß auf den Tänzer Kurt Jooss, der es 1932 erstmals unternahm, das Phänomen der Weltwirtschaftskrise im Medium des Balletts kritisch zu verarbeiten. Sie entschloss sich sein expressionistisches Stück „Der grüne Tisch” als zentralen Ansatzpunkt für eine eigene Arbeit zu verwenden. In verschiedenen Anordnungen zeigt sie Videomitschnitte einer früheren Aufführung des Balletts, und greift das Bühnenbild des grünen Konferenztisches für eine eigene Inszenierung auf. In der Argentinierin Amanda Piña machte sie dafür eine Tänzerin ausfindig, die in Buenos Aires ihre Ausbildung an einer von Kurt Jooss im Exil gegründeten Schule absolviert hatte. Das Stück adaptiert und transformiert Motive des traditionellen Totentanzes und konfrontiert sie mit der Choreografie einer Sitzung, als dem Standard-Ritual bürokratischer Krisenbewältigung. Die Ausführung der geschminkten Totenkopfmaske übernimmt Rosenberger selbst und betont damit das Gewicht eines Elementes, welches in der Übertragung auf moderne Verhältnisse die Bedeutung des Irrationalen annimmt, von dem sich die bürgerliche Ökonomie mit ihren Beschwörungen des freien Marktes als rationalem Prozess entschieden abzugrenzen versucht. Parallel dazu führt sie noch einige weitere Referenzen zum Thema ins Feld. Etwa die österreichische Nationalbank, und deren aktuelle Vormachtstellung in den neuerdings wieder geöffneten Geldmärkten Osteuropas – aber auch Alltagsszenerien, wie die Betrachtungen von Anwohnern angesichts eines Brunnens in Bratislava, der von den Höhen und Tiefen einer sozialistischen Vergangenheit zeugt. Ob nun die Tänzerin in der Maske des Todes vor dem Gebäude der österreichischen Nationalbank tanzt, oder zufällige Passanten ein sozialistisches Relikt mit ihren Erfahrungen konfrontieren: beide Male wird der Kontrast zwischen einer historisches Gleichmaß verkörpernden Architektur und dazu in Widerspruch stehenden Lebenserfahrungen zum Bild für die Schicksalhaftigkeit großer Projekte. Ergänzt durch einige Dokumente belegen diese Kulissen exemplarisch die Regeln eines Spiels, das um unser aller Zukunft geführt wird. Die adäquate Antwort auf das Scheitern wirtschaftlicher Visionen kann heute kaum noch in einer neuen Vision gesucht werden, weshalb auch heroische Gegenentwürfe historisch überkommen wirken. Die Spur, die Isa Rosenberger mit der Wiederaufnahme ästhetischer Kritik aufnimmt, zeichnet sich denn auch durch ihre verschlungene und verzweigte – oder wie es der Ausstellungstitel suggeriert – spiralförmige Linie aus. Es geht hier im Besonderen darum, die Seiteneffekte eines alles beherrschenden Systemideals zu registrieren und verbliebene Bewegungsräume auszuloten. Wenn man sich dieser Perspektive anschließt, könnte man allerdings am Ende zu der Feststellung gelangen, dass die lebensfeindlichen Effekte herrschender Wirtschaftsprinzipien immer schon auch aus ästhetischer Perspektive kritisch reflektiert worden sind.
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