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La Zona


Band Eins der Publikation zur gleichnamigen Ausstellung in Berlin stellt ein unabhängiges Supplement dar, das sich der Aktualität jener apokalyptischen Szenarien widmet, die uns durch die Nutzung von Kernenergie und anderes technologisches Zerstörungspotential bedrohen.
Die Sammlung von Texten ist in Form eines Lexikons aufgebaut und fasst in assoziativer Form entscheidende Marksteine der Geschichte des Frontalangriffs auf unsere Lebensbedingungen zusammen. Als Vorspann dient eine unkommentierte Reihe von Bildern, die zum Teil dem Film „Stalker” entnommen sind, und sich mit Fotodokumenten aus der Post-Tschernobyl-Ära bis zur Ununterscheidbarkeit vermischen.
Im Gegensatz zu diesem poetischen Blick auf das Desaster moderner Fortschrittsutopie sind die Texte zu den einzelnen Stichwörtern nüchtern, informativ und sachlich, wobei sie in aller Kürze genug Tatsachenmaterial zusammentragen, um jeden Zweifel an der Ernsthaftigkeit der aktuellen Lage wegen Bedrohung durch nukleare Strahlung aus verschiedensten Quellen zu zerstreuen. Der Geschichte der Verfehlungen technokratischen Größenwahns wird die des ökologischen Widerstands gegenübergestellt, so dass sich das Bild einer Kette von Ereignissen ergibt, die bis heute über Sein und Nichtsein entscheiden.
Der Minimalismus, der sich in der Ausstellung als geeignete lakonische Antwort auf den Minimalismus der Verantwortlichen erwies, die durch sie ausgelösten Katastrophen nur notdürftig zu bekämpfen, findet hier ein Echo in der Kompaktheit der Broschüre und der Knappheit der Texte, die erst in der gegenseitigen Verschränkung durch Verweise und durch zahlreiche Quellenangaben die Komplexität der Thematik erschließen.
Ein Detail wie das „Gaffer-Tape”, dem hier ein Stichwort gewidmet ist, kann das prägnant veranschaulichen: Nachdem in einem Fabrikgelände in der Nähe von Denver jahrelang Plutonium-Sprengköpfe hergestellt wurden, und das Gebäude erst nach langjährigen Protesten gegen den entstandenen Strahlungsherd geschlossen und saniert wurde, mussten auch nach wiederholten Säuberungsaktionen immer noch einige Räume als „Infinity Rooms” (Räume mit nicht-messbar hoher Strahlung) deklariert werden. Schließlich verschloss die verantwortliche Behörde die Räume schlechterdings, und dichtete die Ritzen an den Türen mit breitem Klebeband („Gaffer-Tape”) ab, während der gesamte umgebende Bereich zum Naturreservat erklärt und unzugänglich gemacht wurde.
Bedeutendere „Zonen” dieser Art sind nach Tschernobyl nun auch in Japan zu verwalten. Dort haben Aktivisten handliche Adapter für Besitzer von Smartphones entwickelt, mit denen sich unkompliziert lokale Daten über Strahlenbelastungen registrieren und einschließlich Ortsangaben übermitteln lassen. Auf diese Weise konnten falsche oder unzureichende offizielle Angaben, wie sie regelmäßig im Rahmen einer Beschönigungs- und Beschwichtigungspolitik auftreten, mit statistisch fundierten Daten widerlegt werden.
Was bedeutet das für unseren Alltag? Gewinnt etwa die Option unterirdischer Wohnungen wieder an Aktualität, die in den 60er Jahren in den USA populär war, und können wir heute noch unbefangen ein Picknick in der freien Natur praktizieren? Letzterem widmet sich ein weiter ausholender Artikel, der die Illusion einer ungestörten und für alle verfügbaren Landschaft als kurzfristiges kulturhistorisches Intermezzo erscheinen lässt. Auch der Titel der literarischen Vorlage für den Film Stalker, „Picknick am Wegesrand” spielt auf die damit verbundene Ignoranz an, allerdings aus einer anderen Perspektive: dort sind es Außerirdische, die auf der Erde Spuren in Form rätselhafter und gefährlicher Zonen hinterlassen, und dabei offenbar ohne irgendeine Rücksicht auf die Bewohner dieses Planeten gehandelt haben.
Auch wenn die Kritik an ökologischen Gefährdungen heute Allgemeingut geworden sein mag, gewinnt in dieser raffinierten Sammlung von Daten und Fakten das Problem erheblich an Schärfe. Gäbe es für alle anderen gesellschaftlichen Schieflagen ähnlich handliche und gewitzte Informationspakete, bräuchte man sich um die Zukunft effektiver Gegenstrategien keine Sorgen mehr machen.

La Zona, Index (Band 1), von Sandra Bartoli, Ulrike Feser, Silvan Linden, Florian Wüst. NGBK, Berlin, 2012. 19 Euro.

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Michael Hauffen

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