kunstraum münchen1996
erschienen 1996 in springer
Kunst zu erleben war für die Fluxus-Bewegung an einen subtilen aber übergreifenden Prozeß gebunden. Im Hier und Jetzt sollten Zwangsstrukturen aufgebrochen werden, und zwar bei allen Beteiligten. Im Gegensatz zur Pop Art kam Fluxus aber der allgemeinen massiven Tendenz zur Entsublimierung nicht entgegen, mit der Folge, von zumeist posthumen Stars abgesehen immer nur eine marginale Rolle gespielt zu haben. Arthur Koepke kann sogar als lange Zeit nahezu vergessener Künstler bezeichnet werden. Und das, obwohl sein äußerst komplexes Werk nicht nur einen Nebenstrom von Fluxus darstellt, sondern dessen wichtigste Aspekte voll zur Geltung bringt. Zentral sind die Ideen einer möglichst großen Pluralität von kleinen Operationen, die den Geist der Kunst in alle denkbaren Schichten des Lebens zu injizieren und es damit zu intensivieren erlauben. Aufforderungsgesten wie: „Sie nehmen nur teil, wenn Sie diesen Prozeß fortsetzen”, oder „Schütteln Sie Hände, benützen Sie Farben, lächeln Sie, tun Sie ... oder auch nicht!”, „...sonst sind Sie nur ein Zugucker” verlegen das Geschehen vom Spektakel auf die Paradoxie und benützen die festgefahrenen Seh- und Konsumgewohnheiten nicht als Medium der Selbstinszenierung, sondern streben deren Unterminierung an. Dieser Strategie entspricht die Erweiterung der Kunst zur experimentellen Lebenspraxis. Neben der Teilnahme an verschiedensten Gruppenaktivitäten, und einer Tätigkeit als Galerist, sowie seiner eigentlichen Produktion als Künstler war vielleicht die frühe Entscheidung, Deutschland den Rücken zu kehren und Däne zu werden, der deutlichste Ausdruck davon, was die Virulenz dieser Abweichung vom Normalen ausmacht: Freiwerden von Machtzusammenhängen, die das Denken einem Erfolgskalkül unterwerfen.Für den kunstraum münchen hat diese erste Ausstellung in den neu bezogenen Räumen auch eine Art programmatische Bedeutung. Die bei Fluxus erkennbare Bewegung der Abweichung von den Normen der Repräsentation soll neu aufgegriffen und um aktuellere Perspektiven erweitert werden. Weg will man dabei auch vom unwidersprochenen Vorrang der Ausstellungstätigkeit kommen. Daher wurden in den letzten Monaten eine Reihe von Veranstaltungen zu Problemfeldern wie Sexismus und Rassismus so angelegt, daß sie über Medien wie Fernsehen/Video, Fanzines, Dokumentationen und andere weniger exklusive Kulturprodukte auch bisher im Kunstkontext zu Unrecht vernachlässigte Phänomene nahebringen konnten. Auf der Suche nach Alternativen zum überkommenen Geniebegriff dürfte auch alles, was mit Dekoration zu tun hat, wieder interessant werden. Die in ihr steckende Kreativität bleibt zumeist anonym und pflegt als weibliche Domäne betrachtet - und abgewertet zu werden. Wenn daher noch in diesem Jahr Bettina Allamoda Arbeiten zeigen wird, die diesen unausgesprochen vollzogenen Grenzziehungen nachgeht, dann kann auch hier eine Verbindung zu Adi Koepke gezogen werden, dessen Ideen-Moleküle im Medium des Dekorativen eine enorme Intensität entfaltet haben, ohne dabei die hartnäckigen Vorstellungen von unbedingter Meisterschaft zu bedienen.
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