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Global Fascisms


Der Titel der Ausstellung lässt es offen, ob es darum geht, eine irgendwie geartete Ordnung in die disparaten Facetten eines Phänomens zu bringen, dessen Dynamik auch die Kunst selbst in ihrem Kern bedroht; auch die Wände bleiben diesbezüglich stumm und das Auffinden erklärender Texte, sogar von Titel und Jahr der Werke erfordert einiges Geschick im Umgang mit dem Begleitheft. Für diejenigen, die keine Führung gebucht haben, besteht also die Herausforderung darin, sich selbständig einen Zusammenhang zu konstruieren.

Den Empfang bildet ein großes Transparent: »We hope this message finds you well« (Mona Vătămanu & Florin Tudor). Es ruft die Sprache neoliberalen Managements von Stimmungen auf, um nicht zu sagen eine Formel, die eine positive Antwort befiehlt, aber hier natürlich genau dieses Denkverbot angesichts einer misslichen Weltlage ins Visier nimmt. Gleich daneben zeigen in einem kleinen Seitenraum große Fotopaneele Ansichten von Wellness-Resorts mit ihren genormten Südseedekors, die aber durch KI-generierte Umgebungen ergänzt wurden und die katalogmäßig paradiesische Idylle mit den schädlichen Folgen der Klimakrise konfrontieren (Niklas Goldbach).

Ein Stück weiter widmet sich eine von vier Videoboxen einem israelischen Stimmungsbild in Form eines BDSM-Rituals. Eine Frau – sie beschreibt sich im zuvor geführten Interview als dezidiert links – versucht einer anderen, die erklärtermaßen in einer rechten Familie aufgewachsen ist, mit Peitschenhieben den wortreichen Geist des rechtsextremen Politikers Avigdor Liebermann, damals Außenminister, auszutreiben (Roee Rosen).

Dann im fensterlosen Saal hängen zwei Bilder, die Hannah Höch zu Beginn und am Ende der deutschen Naziherrschaft gemalt hat, 1933 und 1945. Die Werke führen in diesem Kontext das globale Unheil auf den lokalen historischen Ausgangspunkt zurück, der allerdings in den beiden bizarr schizophrenen Portraits ebenfalls nur gespenstisch zur Erscheinung kommt. Durch die beinahe erhabene Symmetrie, mit der sie gehängt sind, betonen die Gemälde die zentrale Raumachse, an deren abschließender Stirnwand das übergroße Fotodokument einer Straßenszene aus Guatemala wieder zurück in die globale Wirklichkeit führt; der Blick fällt jetzt auf die Rückseite eines Lastwagens mit einem großen Poster, das den Genozid einer Putschregierung anprangert, der von einflussreichen Kreisen geleugnet wird und nur durch den mutigen Einsatz danach entlassener Archivare vor Gericht gebracht werden konnte (Daniel Hernández-Salazar).

Weitere Arbeiten in diesem sehr konzentrierten Raum beziehen sich auf ähnliche Auswüchse rassistischer Gewalt und antworten darauf sehr divers mit Protest, Ironie, Pessimismus, präziser Dokumentation oder indem sie die Erinnerung an das verlorene Glück heraufbeschwören.

Nochmals vorbei an den vier Videos – eines zeigt ein groteskes Puppenspiel mit schwarzen Hundefiguren, die sich über menschliche Brutalität mokieren, aber selbst bald in Gewaltphantasien schwelgen (Ciprian Mureșan) – und großen Fotografien aus Lagos, die das Massenphänomen evangelikaler Bewegungen in bedrückender Prägnanz dokumentieren (Andrew Esiebo), führt jetzt der Weg in die Halle, die mit ihrer in Beige gehaltenen Ausstellungsarchitektur und der präsentierten Vielfalt fast beruhigend wirkt. Irgendwie verstören da selbst die wie große Embryos in durchsichtigen Plastiksäcken auf dem Boden liegenden Figuren nicht mehr wirklich – korrekt gekleidet und voll einsatzfähig für Berufe, die jetzt durch KI überflüssig geworden sind (Josh Kline). Ähnlich verpufft die Wirkung der Video-Performance eines Mannes, der sich einen überdimensionalen Penis in Form einer Drachenschlange vorgehängt hat, und damit ekstatisch tanzt (Fuyuhiko Takata).

Das lenkt den Blick auf die weniger spektakulären Arbeiten. Mit Zeichnungen von filigraner Virtuosität widmet sich etwa Vikrant Bhise dem Alltag indischer Randgruppen, und gibt ihnen damit die Würde zurück, die ihnen staatlich organisierter Rassismus abspricht. Allerdings bräuchte man eine Leiter, um auch die obere Reihe genau sehen zu können. Eine digitale Videoinstallation übersetzt einen feministischen Diskurs über die faschistoiden Keime heutiger Technoästhetik souverän in eine poetische Bildsprache (Eli Cortiñas). Und eher dokumentarische Videos widmen sich historischen Vorkommnissen wie der Diktatur in Chile (1973–1990). Deren brutales Vorgehen gegen eine demokratische Mehrheit wurde am Rande einer documenta in Kassel mit den Verstrickungen westdeutscher Konzerne und Politiker konfrontiert – über ein großes, öffentlich und kollektiv von chilenischen Künstler*innen ausgeführtes Wandgemälde (Franz Lehmkuhl).

Den noch recht aktuellen Vorgängen in Südkorea, als Aufstände den Präsidenten zum Rücktritt zwangen, der zu seinem persönlichen Vorteil das Kriegsrecht ausrief, geht ein Mehrkanal-Video nach, und zeigt aus der Nähe, wie in Folge der Erosion demokratischer Institutionen eine Gewaltbereitschaft aufkommt, die in diesem Fall Schlimmeres verhindern konnte (Yoonsuk Jung).

Ein weiteres Video setzt sich exemplarisch mit einer beliebten Technik medialer Manipulation auseinander: mit der Zeitlupe. »Die Bilder verlieren die Fähigkeit, den Schaden festzuhalten, der viel zu schnell entsteht« (Hao Jingban). Auch die Kombination von Video und Snapchat-Clip »Ornament is Crime« konzentriert sich auf einen, allerdings größeren der Puzzlesteine, aus denen sich strukturelle Gewalt zusammensetzt. Es handelt sich um die Restauration feudaler Architektur, für die in Ungarn und Rumänien horrende Summen aufgewendet werden, während die Bevölkerung Opfer von Sparmaßnahmen wird. Eine digital verfremdete Sprecherin hält hier vor einschlägigen Gebäuden einen rebellischen Vortrag, der kenntnisreich und mit viel Witz den unverhohlenen Zynismus angreift, dessen Ziel es ist, die Leute mit massiven Machtsymbolen einzuschüchtern (wieder: Vătămanu & Tudor, mit Ilinca Manolache).