Haus der Kunst, München15.11.96 bis 6.1.97
erschienen 1997 in KUNSTFORUM
Postmoderne ebenso wie moderne Zeiten erfordern von einem Individuum, das auf kulturell hohem Niveau mithalten will, einen großen Aufwand. Kunst ist davon keineswegs ausgenommen. Wenn man von den äußerlichen Zwecken, denen diese Anstrengung häufig dient, einmal absieht, dann bleibt der Lustgewinn einer plötzlichen Erleichterung, die sie uns gelegentlich verschafft. Richard Prince artikuliert diesen Sachverhalt, indem er anstelle eines auratischen Kunstwerkes oftmals nur einen Witz präsentiert, bei dem der Lacheffekt sozusagen jeden Zweifel beseitigt, ob der Genuß nun echt oder nur eingebildet war. So sind die großformatigen monochromen Bildtafeln, die in einer oder zwei Zeilen den Text eines Witzes wiedergeben, auch als eine Art von provokativer Geste zu verstehen: daß der Künstler nicht bereit ist, seinen Spaß anderen Imperativen zu opfern. Um von Witzen an dieser Stelle mitgerissen zu sein, muß jemand allerdings eine Reihe von Dispositionen mit ihm gemeinsam haben. Vor allem darf sich eine solche Person nicht mit einer der hier abqualifizierten Positionen z.B. moralischer oder ökonomischer Natur allzusehr identifizieren. Aber auch dann bleibt noch die Schwierigkeit die von Prince ausgewählten Witze zu verstehen. Was für gute Witze generell gilt, daß sie nämlich das Leiden am eigenen kulturellen Anspruch voraussetzen, wird von Prince noch gesteigert, indem er nur sehr exquisite Exemplare der Gattung in sein Werk hineinnimmt.Gehört man nun diesem exklusiven Kreis derartig Disponierter zumindest zeitweilig an, dann teilt sich auch die zynische Heiterkeit mit, die über die Witze hinaus in den Arbeiten von Richard Prince als Grundstimmung wahrnehmbar ist. Ein großer Teil der Ausstellung besteht aus Leinwänden, auf denen nicht nur Texte von Witzen, sondern auch Ausschnitte aus Witzzeichnungen per Siebdruckverfahren erscheinen: vergrößert, in Schräglage, mehrfach übereinander geschoben, gedreht, unter- und übermalt, verschlungen...Eine weitere Verschiebung des Schwerpunkts von den Witzen hin zur Malerei findet sich dort, wo Prince ein gegenstandsloses Gemälde anstelle der Signatur mit einem Witz unterschreibt. Die durch den Witz repräsentierte Erleichterung bewirkt dann vor allem eine Abwertung von Fragen nach der Herkunft oder nach dem tieferen Sinn, und verstärkt so die Lust am Spiel der Farben und Formen. Anbieten würde sich an dieser Stelle auch ein Vergleich der Witztechnik mit der der Malerei überhaupt, etwa mit Hilfe der von Freud in seiner Theorie des Witzes dargelegten Kriterien: formelhafte Kürze, mehrfache Verwendung des selben Materials, Verschiebung des Sinns, etc. Für die hierbei angeschnittene Thematik der psychischen Struktur des Subjekts brachte die Ausstellung noch weiteres gewichtiges Material an den Tag. Unter dem Titel „Passionsspiel” stellte Prince zum allerersten Mal Proben eines zeichnerischen Werkes der Öffentlichkeit vor, das er im Zusammenhang mit psychiatrischen Sitzungen in den 70er Jahren begonnen und bis heute kontinuierlich weitergeführt hat. Die Kugelschreiberzeichnungen bilden ausschließlich Variationen eines merkwürdig entrückten Gesichts ab, einer Art alter ego. Aber obwohl hier nicht nur aus dem Titel der Serie ersichtlich wird, daß diese anonyme Figur explizit damit zu tun hat, seelisches Leiden zu verarbeiten, verbindet sie doch mit dem offiziell schon bekannten Teil seines Werkes die abfällige Haltung, die durch sie gegenüber Kunstwerken mit abgehobenem Anspruch zum Ausdruck kommt. Parallel zur Ausstellung ist im SZ-Magazin auch ein Interview mit Richard Prince erschienen. In Bezug auf die Preisgabe seiner intimen Figur äußert er dort die Vermutung, daß er sie nun womöglich nicht mehr weiter zu zeichnen bräuchte. Vermutlich wird auch sein „Passionsspiel” weder eine neue Sekte noch einen dauerhaften Kult begründen. Aber wenn es sich auch nur um Banalitäten handelt - sie vermögen es Intensität freizusetzen.
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