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2000minus3 - art space plus interface


Neben der musealen Produktion grandioser Erhabenheit, die eine rigide Ausblendung virulenter Aktualität erforderlich macht, fällt öffentlichen Ausstellungsinstituten auch die Aufgabe einer Sondierung von Potentialen zu, die abseits wohlbehüteter Reservate entstehen. In diesen Kontexten herrscht Unübersichtlichkeit, vor allem wenn die Lebensangebote in der Außenwelt knapper und die Ersatzmaßnahmen komplizierter werden.
Flucht nach vorne bedeutet für KünstlerInnen unter diesen Umständen vor allem: Internet. Markus Huemer besinnt sich beispielsweise auf dessen Grundelemente und verwendet dem Normal-User unsichtbare Datenströme zur Steuerung eines einfachen Programms, das Fragmente eines Derrida-Textes in immer neuer Form kombiniert. Dabei wird die Homologie von Faszination für Kommunikationstechnologie und für intellektuelles Kapital momenthaft deutlich.
Die Fußzeile der projektbegleitenden website konfrontiert den Ausstellungsgast mit einer weiteren Besonderheit: im Sekundentakt werden die Zeiteinheiten heruntergezählt, die uns noch bis zum Jahr 2000 bleiben. Die Zahl ist zwar noch riesig, aber das hat insofern etwas Beängstigendes, als ein Konzept unvorstellbar scheint, das dem unerbittlich zu Ende gehenden Millennium gerecht würde.
Es ist nur ein kleiner Schritt, angesichts des Prekären, das diese Metapher zum Ausdruck bringt, versuchsweise in Panik zu geraten. Beispielhaft dafür steht der von »Unlimited Free Space« bereits durchgeführte und zur Nachahmung empfohlene Vorschlag, die Stadt Graz mit Schutzanzügen bekleidet heimzusuchen, oder die systematische Perversität der wächsernen Mini-Selbstporträts von Gilles Barbier. Ästhetisch konsumiert sind derartige Übersprungshandlungen natürlich auch deshalb attraktiv, weil sie eine uns überfordernde Rationalität lächerlich machen.
Eine andere Fraktion der vorgestellten KünstlerInnen neigt demgegenüber eher zu diskreter Ironie, was sich je nach Kundschaft auch als positives Denken angesichts einer neuen Konsumordnung interpretieren läßt. Nana Petzet zieht in dieser Konsequenz die Kompromißhaftigkeit des bundesrepublikanischen Entsorgungssystems ”Der Grüne Punkt” auf der Basis wohlinformierter VerbraucherInnenkompetenz ins Lächerliche, während »Protoplast« unumwunden Kunstwerke produzieren, die nichts als ein gutes Image hervorbringen sollen. Die Gruppe »Formalhaut« unterscheidet sich davon nur graduell, wenn sie darüber hinaus noch spektakuläre neoavantgardistische Inszenierungen vornimmt – in Graz war es ein Feld mit ca. 50 geometrisch angeordneten High-Tech-Zelten – wobei das Anspruchsniveau in der Größenordnung von Mega-Design mangels solider Analyse der realen Gründe für die Häßlichkeit unserer Welt vor allem auf eine maximale persönliche Selbsteinschätzung schließen läßt.
Wo noch die Idee einer radikalen Provokation gepflegt wird, wie bei Vakim Zakharov, nimmt sie aber offenbar automatisch einen ausgesprochen verzweifelten Charakter an.
Diese Zwangslage verführt bekanntlich zu narzistischer Kompensation. Und der Ausschluß von wirklicher Interaktion scheint dabei von vornherein als Spielregel der Kunst akzeptiert werden zu müssen. Wenn aber der hier als »b_books/p=press« firmierenden KünstlerInnengruppe bereits bei der Eröffnung von BesucherInnen alles angebotene Zeitschriften- und Buchmaterial entschlossen abgekauft wurde, darf man daraus vielleicht ableiten, daß an einer unterschätzten Stelle der vorhandenen interfaces zwischen Kunst und sozialer Realität noch etwas vorangeht.

Weitere beteiligte KünstlerInnen:
USI, Studio Azzurro, Monika Studer, Christof v d Berg, subREAL, Alien Productions, Martin Osterider, Matthew McCaslin, Eric Hattan, Thomas Feuerstein, Alain Bublex, AES, Apsolutino.

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Michael Hauffen

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