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Gustav Metzger - Manifeste, Schriften, Konzepte
von Justin Hoffmann


Der Name Gustav Metzger bezeichnet ein künstlerisches Programm, das vor 40 Jahren zu den pointiertesten und radikalsten gehörte, und bis heute konsequent weiterverfolgt wird. Von Anfang an wohnt ihm der Impuls inne, die Grenzen dekorativen Handwerks hinter sich zu lassen und die Möglichkeiten modernster Technologien für eine Darstellung zeitgemäßer existentieller Fragen zu nutzen. Dabei geht es keineswegs nur um narzistische oder marktgerechte Gigantomanie, sondern um die ernsthafte Anstrengung nach Sinn und Zukunftsperspektiven im gegenwärtigen globalen Lebensprozeß zu suchen. Und so ist es kaum verwunderlich, daß seine Konzepte und Interventionen durchgängig als unbequem empfunden und verdrängt wurden.
Die Kompromißlosigkeit seines Ansatzes hat viel mit Metzgers Biographie zu tun. Als Kind jüdischer Eltern, geboren 1926 in Nürnberg, mußte er erleben, wie die Nazis nicht nur seine Familie vernichteten. Zusammen mit seinem Bruder konnte er 1939 aus Deutschland fliehen, um sich in England durchzuschlagen. Aber die daraus erwachsene Sensibilität verbindet sich bei ihm mit wacher Neugier auf das aktuelle Geschehen, sowie analytischem Scharfsinn, so daß seine Ansichten in keiner Weise als wahnhafte Übertreibungen oder ähnliches abgetan werden können.
Der von ihm 1959 geprägte Begriff der „self-destruktive art” (später abgewandelt in „auto-destructive art”) ist dementsprechend weder frivol noch spektakulär gedacht, wie die dazu verfaßten Manifeste bezeugen. Damit unterscheidet er sich wesentlich von seiner Adaption durch Tinguely, die um so mehr Erfolg hatte, als sie zur Staffage von Amusement-Parks tendierte. Metzgers Entwürfe für ein dekonstruktives Kunstwerk zeichnen sich demgegenüber durch eine klare Stellungnahme für das Leben und gegen die sich verselbständigende Technologie aus. Während ihn also von Tinguely dessen ästhetische Verklärung destruktiver Tendenzen trennt, läßt sich zu Beuys eine Verwandtschaft feststellen, insofern beide dazu neigen, als Künstler die Rolle eines traditionell eher religiösen oder philosophischen Gewissens zu übernehmen. Von Schamanentum und magisch oder mystisch aufgeladenen Objekten ist jedoch bei Metzger ebenfalls keine Spur: alles konzentriert sich bei ihm auf präzise Reflexion tieferer Schichten der Bio- und Soziosphäre im gegenwärtigen Entwicklungsstadium.
Neben den Künstlern Tinguely und Beuys, die Metzgers Kunst in jenem Frühstadium verfolgt und begleitet haben, lassen sich eine Reihe von namhaften Intellektuellen ausmachen, die ihn als bedeutenden Zeitgenossen auszeichnen. Bertrand Russel, Lucio Fontana, R. D. Laing, Jürgen Habermaß, Robert Jungk, um nur einige zu nennen, begegneten ihm im Rahmen einer Vielzahl von Initiativen und intellektuellen Vereinigungen, an denen er mitbeteiligt war. Dazu kam die wesentliche Rolle, die die Gruppe um Fluxus spielte, sowie Kontakte zu englischen Popmusikern. Experimente mit Projektionen, bei denen Flüssigkristalle zu organischen Formen verschmelzen, waren im Rahmen von Konzerten etwas Neues, und verhalfen Metzger zu einigen Auftritten.
Im Kunstbetrieb neigte sein Programm, wie das der Destruktionskunst überhaupt, zu keinerlei affirmativer Anpassung. Dazu hatte er auch an dessen Rolle im Zusammenhang mit einer gesellschaftlichen Entwicklung zu viel auszusetzen. Kunst, wie sie zumeist praktiziert wurde, spielt für ihn die Rolle eines Verdrängungsinstruments. Denn wo die Flucht des Menschen vor sich selbst in den Wunsch nach Unterwerfung der Natur umschlägt, und eine totalitäre Technologie die Vorherrschaft gewinnt, wird der Kunst nur noch die ästhetische Verklärung dieser Bewegung zugestanden.
Metzger Aufruf von 1974 zu „Years without Art 1977-80” blieb weitgehend ohne Gehör, bis sie von dem englischen Soziologen Stewart Home in Rahmen von dessen Engagement als Punk-Musiker als „Art Strike 1990 - 93” wieder aufgegriffen wurde, und nun in USA und England mediale Resonanz bekam. Nicht zuletzt ist es aber Justin Hoffmann zu verdanken, wenn seit einigen Jahren der Name Gustav Metzger im Rahmen von Ausstellungen und Symposien wieder auftaucht. Man kann jetzt anhand seiner Schriften auch feststellen, daß er in der Zwischenzeit als genauer Beobachter der planetarischen Entwicklung seinen Begriff der Auto-Destruktion permanent aktualisiert hat, etwa in Hinblick auf die Bedeutung der Gentechnologie. Und ebenso läßt sich erkennen, daß in seinen künstlerischen Konzepten nach wie vor ein hochgradiges diskursives Potential steckt. Was die großen Projekte betrifft, so ist zu befürchten, daß es bei den angefertigten Skizzen und Beschreibungen bleibt. Jedenfalls liegen sie jetzt gedruckt vor.

Gustav Metzger - Manifeste, Schriften, Konzepte. Herausgegeben von Justin Hoffmann, Erschienen im Verlag Silke Schreiber, München, 144 Seiten, DM 28.

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Michael Hauffen

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